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Warum das Wasser der beste Lehrmeister ist

Mein Beitrag im Mut-Mach-Buch „Meine Schwimmgeschichte“

Wenn du mehr über das Projekt erfahren möchtest, schau gerne mal hier vorbei. 🙂

Ich Fließe Im Lebensfluss. Als Kleinkind war ich jedes Jahr auf dem kleinen Campingplatz am Fluss. Hier haben wir gebadet, sind tapfer ans andere Ufer geschwommen. Haben Steine übers Wasser „flippen“ lassen. Hier habe ich meinen ersten Fisch mit meinem rosafarbenen Kescher gefangen. Er war winzig klein und lebte ein paar Tage in einem Glas in unserem Campingbus. Es war ein großartiges Gefühl, auch wenn mir inzwischen längst klar ist, dass es nicht gerade die netteste Art ist, jemandem seine Zuneigung auszudrücken, indem man sein unendlich weites Zuhause gegen ein 250ml-Glas tauscht. Ich habe damals geglaubt, hinter der nächsten Biegung des Flusses würde ein riesiger Wasserfall lauern. Das war eine kindliche Fantasie. Allerdings – der Gefahr, die mir das Rauschen der Ardèche schon als Vierjährige zuflüsterte, würde ich später noch gegenüberstehen müssen.

So Wie Das Wasser der Ardèche, flossen auch die Jahre unaufhörlich dahin. Und so wie der Fluss in Schlangenlinien durch den Süden Frankreichs mäanderte, so wartete mit dem Älterwerden auch auf mich hinter jeder Kurve etwas Neues, Aufregendes. Die Urlaubsziele wurden ausgeweitet. Ich war nun schon in der Grundschule, als wir das nächste Mal an die Ardèche fuhren, diesmal jedoch an eine andere Stelle. Nördlicher. Trotzdem. Derselbe Fluss. Dasselbe Wasser. Dasselbe Rauschen. Wir haben kleine Flöße aus Hölzern gebastelt, mit Segeln aus Leinen. Die leichte Strömung hat schon gereicht, dass die Schiffchen immer wieder gekentert sind. Wie eine stille Warnung, ein Signal.

Das Ich Nicht Gehört Habe. Die Urlaube an der Ardèche waren längst Vergangenheit. Ich dachte nicht mehr an den Fluss meiner Kindheit, aber wie er musste auch ich mit Hochwasser und Tiefständen umgehen lernen. Noch mehr Zeit verstrich. Ich war nun siebzehn Jahre alt, als es tatsächlich wieder an die Ardèche ging. Ich verliebte mich sofort erneut in die hübsche Region, nahm sie natürlich auf eine andere Weise wahr als früher. Vage erinnerte ich mich noch an den Campingplatz direkt am Wasser. Zum Schwimmen war es eigentlich noch ein bisschen zu kalt. Ein Teil der Familie hat sich trotzdem irgendwie ans gegenüberliegende Ufer gekämpft. Aber die Steine flippten übers Wasser, genau wie damals.

Die Ardèche zeigte sich von ihrer besten Seite. Sie zeigte mir in diesen frühen Sommermonaten jedoch noch etwas anderes. Nämlich, was es heißt, für ein paar Sekunden dem Tod entgegenzublicken. Und zwar nicht nur gedanklich. Nein, körperlich.

Wir liehen uns zwei Kanus und begannen eine abenteuerliche Fahrt über den Fluss. Anfangs war es – bis auf kleinere Stromschnellen – eine harmlose, idyllische Tour. Aber so etwas kann sich ganz schlagartig ändern. Wenn alles zusammen kommt: Stärkere Stromschnellen, verlorene Schuhe und Paddel, Felsen, der falsche Winkel … Zum Denken lässt das Kentern oft keine Zeit. Auf einmal fanden wir uns im kühlen Wasser wieder. Unter den Booten. Kaum noch Luft, Platz, Orientierung. Es dauerte vermutlich nicht lange, bis wir es alle mit den Köpfen zurück an die Wasseroberfläche schafften. Trotzdem. So ein Kanu ist verdammt schwer. So ein Strom ist verdammt kräftig. So eine Sekunde ist verdammt lang. Hinterher legten wir eine Pause ein. Die ganze Familie musste sich erst einmal erholen.

Ich – eigentlich wir alle – hatten in diesen Augenblicken, in denen wir Unterwasser gefangenen waren, kurz aber intensiv Todesangst. Es mag übertrieben klingen, aber es war so.

Kann Wasser also lebensgefährlich sein? Ja. Wäre es besser, das Schwimmen zu vermeiden? Nein!

Das Wasser hat mir damit gezeigt, was zählt. Sei zufrieden damit, dass du leben darfst. Schätze es, dass wir Menschen schwimmen (lernen) können und dafür nur uns selbst brauchen, im Gegensatz zum Fliegen (zumindest bis jetzt). Vor allem: Sei wachsam, höre hin!

Und Jetzt Höre ich auf leise Stimmen, die mich erreichen, zumindest versuche ich es. Zeichen, Signale, Warnungen. Das Wasser hat mir gezeigt, auf was es wirklich ankommt. Das Wasser ist Lehrmeister für vieles. Mut, Fantasie, Vorsicht, Respekt, Zufriedenheit und Wertschätzung sind nur wenige Beispiele.

Das Wasser schenkt dir die Möglichkeit, dich mit ihm zu verbinden und das von ihm zu lernen, was dir noch fehlt. Es lädt dich zu sich ein: Schwimmen.

Schwimmen Ist Fliegen. Es birgt Gefahren, wie alles im Leben und wie das Leben selbst. Aber es gibt immer noch das Wasser, dass dich stets dabei trägt.

Wasser Sind Die Flügel. Man muss sich nur darauf einlassen. Wasser macht dir ein Angebot. Nutze es.

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